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Übermüdung am Steuer

Immer wieder geschehen Unfälle durch Sekundenschlaf. Manchmal wird der Sekundenschlaf auch nur als „Schutzbehauptung“ angegeben, weil man tatsächlich eine Nachricht am Handy geschrieben hat. Im vorliegenden Fall gab der Beschuldigte zu Protokoll, dass er während der Fahrt eingeschlafen war.

Der Sachverhalt

Der Beschuldigte prallte in der Nacht mit seinem PKW gegen ein ordnungsgemäß am Straßenrand geparktes Fahrzeug, nachdem er am Steuer eingeschlafen war. Durch den Aufprall wurde das geparkte Fahrzeug mehr als 14 m nach vorne gegen einen dort geparkten Anhänger geschoben. Gegenüber der Polizei gab der Beschuldigte zu Protokoll, dass er während der Fahrt in seinem Fahrzeug eingeschlafen und es deshalb zu dem Unfall gekommen sei. Mit Beschluss hat das Amtsgericht Wiesbaden dem Beschuldigten gemäß §§ 111a, 94 StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und den Führerschein beschlagnahmt.

Hinter dem Steuer eingeschlafen

Der Beschuldigte sei dringend verdächtig ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, obwohl er hierzu aufgrund körperlicher Mängel nicht in der Lage gewesen sei und dadurch Leib oder Leben eines anderen bzw. fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet habe. Dies sei eine Straftat nach § 315c Abs. 1 StGB und § 69 StGB. Es sei anzunehmen, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen werde, weil sich aus der Tat ergebe, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Dagegen legte der Beschuldigte Beschwerde ein. Er habe gegenüber der Polizei nicht definitiv ausgesagt, dass er am Steuer seines Fahrzeugs eingeschlafen sei. Vielmehr habe er nur Überlegungen angestellt, dass eventuell eine überhöhte Ausgangsgeschwindigkeit, eine schlechte Sicht oder eine leichte Übermüdung zum Unfallgeschehen beigetragen habe könne. Zum Zeitpunkt des Fahrtantritts habe er keine Anzeichen einer Ermüdung oder Übermüdung bemerkt und er habe auch während der Fahrt keine Anzeichen einer Ermüdung wahrgenommen.

Der Beschluss des Landgerichts Wiesbaden (Az. 1 Qs 61/15)

Nach Beschluss des Landgerichts Wiesbaden (Az. 1 Qs 61/15) hatte die Beschwerde in der Sache keinen Erfolg. Wenn der Beschuldigte gegenüber der Polizei lediglich „Überlegungen“ zur Unfallursache angegeben haben will, lässt dies auch den Schluss zu, dass er sich an den Unfallhergang nicht erinnern kann. Dies wiederum spricht dafür, dass er tatsächlich von einem Sekundenschlaf übermannt wurde.

Gericht: Man nimmt stets deutliche Zeichen der Übermüdung war

Eine Übermüdung kann auch einen geistigen oder körperlichen Mangel im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB darstellen. Allerdings ist ein solcher Übermüdungszustand zu verlangen, welcher für den Beschuldigten die erkennbare Erwartung eines nahen Sekundenschlafes mit sich bringt, d.h. der Fahrer bei sorgfältiger Selbstbeobachtung die Übermüdung hätte bemerken oder mit ihrem Eintritt hätte rechnen müssen. Ein Kraftfahrer nimmt, bevor er am Steuer einschläft, stets deutliche Zeichen der Übermüdung an sich wahr oder kann diese zumindest wahrnehmen. Dies beruht auf der in den berufenen Fachkreisen gesicherten Kenntnis, dass ein gesunder, bislang hellwacher Mensch nicht plötzlich von einer Müdigkeit überfallen wird (BGH, Beschl. v. 18.11.1969 – 4 StR 66/69).

Rechtsgrundlagen:

§§ 315c, 69, 69a StGB
§ 111a StPO